Was ist Graphomotorik?

Definition Die Graphomotorik setzt sich aus Integration und Koordination der Wahrnehmung und der Motorik zusammen und kann als Höchstleistung der feinmotorischen Geschicklichkeit bezeichnet werden. (Naville und Marbacher)

Die Bedeutung der Graphomotorik und der Entwicklung des Kindes.

In der kindlichen Entwicklung ist das Zusammenspiel der Grobmotorik, der Feinmotorik und der Sinneswahrnehmung gegenseitig von Bedeutung. Das Kind sammelt seine Erfahrungen über seine Sinneswahrnehmung, Bewegungen und Gedanken. Dieses Erlebte kann es in der Regel durch Wiederholungen, Varianten und in unterschiedlichen Situationen vertiefen und abrufen. Somit ist eine Handlungserfahrung in allen Sinnesbereichen eine Grundvoraussetzung für eine allgemeine gesunde Entwicklung und der Entwicklung der Intelligenz. Das Selbsterfahren z.B. von unterschiedlichen Oberflächen, Formen oder Höhen ermöglicht dem Kind schon in seiner frühen Entwicklung sich ein Bild von seiner Umgebung und damit agierend von seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten zumachen. Das Kind be-greift so beispielsweise die räumliche Orientierung, den Gebrauch seiner Hände, die Koordinationsmöglichkeiten seines Körpers, die Sicherheit des Gleichgewichtes. Daraus kann sich das Kind über die Zeit ein genaueres Körperbild aufbauen, sich seiner Stärken und Schwächen bewusst werden auch bezogen auf die Lateralitäts- und Dominanzfestlegung der Hände. Durch die unterschiedlichsten Erfahrungen der Umgebung und der Materialien entwickeln sich genauere Bewegungs- und Handlungsabläufe. Dabei reift die Sinneswahrnehmung, die Grundlage des Handelns. Bewegung und Wahrnehmung sind eine unzertrennliche Einheit.

„…Bevor ein Kind schreiben lernen kann, muss es somit viele grundlegende Körper- und Sinneserfahrungen gesammelt haben. So gilt: von der Grobmotorik zur Fein- und Graphomotorik, vom Großen zum Kleinen, vom Langsamen zum Schnellen bis hin zum Automatisierten…” Pauli / Kisch

Die graphomotorische Entwicklung.

Die graphomotorische Entwicklung stellt sich daher als logische Ereignisfolge von Wahrnehmen, Handel, Sprechen, Lesen und Schreiben dar. Movere-Flyer
Das Setzen von Schriftzeichen erfordert Leistungen aus den Bereichen der Wahrnehmung, Kognition, Psyche und Bewegung. In der Regel werden die graphomotorischen Übungen von großen Schwungübungen auf kleine Bewegungen bis hin zum Papier übertragen…(Ingrid Schäfer). Hierbei sollten Formen, Buchstaben oder das Einhalten von Linien zuerst in großräumigen Bewegungen durchgeführt werden; von den Erfahrungen der Bewegungen verbunden mit der visuomotorischen Überprüfung geht es in kleinen Schritten über Spiele mit verschiedenen Materialien und Techniken um dann anschließend die Grundformen, Zahlen und Buchstaben auf das Blatt zu transportieren. So erfolgt die graphomotorische Förderung von großräumigen Bewegungen im dreidimensionalen Raum hin zu Angeboten mit dem Stift im Zweidimensionalen. Bei Kindern mit motorischen / feinmotorischen Entwicklungsauffälligkeiten lassen sich schon früh Schwierigkeiten im anbahnenden graphomotorischen Lernprozess erkennen: verkrampfte Löffel – oder Stifthaltung; schneiden oder basteln wird verweigert; schnellere Ermüdung oder Lustlosigkeit bei feinmotorischen Angeboten wie balancieren, Ball fangen, malen; die Hände werden häufig beim Gebrauch gewechselt oder Gegenstände fallen gelassen.

Die Kinder sollten in ihrer kindlichen Entwicklung bis zum Eintritt in die Schule folgende Bereiche der Entwicklung aufgebaut und erlernt haben:

  • eine gute Auge-Hand-Koordination entwickelt haben
  • eine altersentsprechende Handmotorik
  • eine günstige Stifthaltung und Fähigkeiten der Kraftdosierung besitzen
  • die Körpermittellinie muss gekreuzt werden können
  • altersentsprechende visuelle Wahrnehmung zur Verfügung stehen
  • ausreichende Regulierung der Körperspannung aufweisen
  • die Fähigkeit am Tisch sitzen zu können und auch zu bleiben
  • Formen sollten erkannt und unterschieden werden können
  • einzelne Buchstaben vor einem verwirrenden Hintergrund wiedererkannt werden (Figur-Grund-Wahrnehmung)

Voraussetzung zur Schulfähigkeit.

Körperliche / motorische Voraussetzungen

  • Gesundheit
  • gut integrierte Sinnessysteme (auditiv / visuell / vestibulär / taktil-kinästhetisch)
  • Bewegungsfähigkeit (Koordination / Tonusregulierung / Gleichgewicht / integrierte Reflexe)
  • die Körpermittellinie muss gekreuzt werden können
  • Körperschema / Selbstdarstellung im Bild
  • Raumerfahrung (Raumbegriffe kennen und umsetzen)
  • Lateralität / Rechts-Links erkennen ja, benennen nein
  • festgelegte Handdominanz
  • Feinmotorik (Feingriffe/Stifthaltung)
  • Erfahrungen beim Malen (Grundformen und Grundmuster der Schrift beherrschen / Namen abschreiben)

Kognitive Voraussetzungen

  • Intelligenz / Denkfähigkeit / Logik
  • Konzentration bis 15 Min. an einer Aufgabe / Aufmerksamkeit (Reize filtern) / Merkfähigkeit
  • Seriale Abläufe / Handlungsplanung z.B. anziehen/zeitliche Abfolgen: Wochen, Monate, Feste/Orientierung im Raum (Raumbegriffe wie oben, unten, hinten, vorne, zwischen kennen und benennen) – Ort – Zeit -/Muster ergänzen
  • Differenzierungs-Gliederungsfähigkeit (du bist der Erste, du bist der Zweite…) oder nach bestimmten Merkmalen: groß, klein, dick, dünn, lang, kurz
  • Mengen erfassen bis 10 durchzählen, simultan erfassen bis 6 (beim Würfel) Mengen erfassen: mehr, weniger/vorgegebene Anzahl (z.B. durch einen Würfel) richtig legen
  • Farben erkennen und benennen (nicht nur Grundfarben)
  • Grundformen erkennen, benennen und wieder geben

Sprachliche Voraussetzungen

  • 6-8 Wortsätze, Hauptsatz und Nebensatz oder Unterbegriffe
  • Kommunikationsfähigkeit / Ausdrucksfähigkeit
  • Sprachfähigkeit / Sprachverständnis / Wortschatz / Grundkenntnisse der deutschen Sprache
  • Schriftsprache verstehen und ansatzweise anwenden können (parallel zum Dialekt)
  • Aufgabenverständnis / Umsetzungsfähigkeit / Inhalte detailliert und in logischer Reihenfolge wiedergeben
  • Vollständige Sätze sprechen können
  • Richtungshören / Hörverarbeitung
  • Silben erkennen und wieder geben können auch bei sinnlosen Silbenketten (Bimmel-Bassel-Bus)

Psycho-Soziale Voraussetzungen

  • Selbstbewusstsein / Ich-Stärke / Kenntnis und reale Einschätzung der eigenen Fähigkeiten
  • Selbstdarstellung / Bedürfnisäußerung
  • Ablösungsfähigkeit / Selbstständigkeit
  • Anpassungsfähigkeit / Gruppenfähigkeit / sich einbringen und zurücknehmen können
  • sich angesprochen fühlen, auch wenn es nicht namentlich benannt wird
  • Anweisungen und Regeln verstehen und befolgen / abwarten können
  • Konzentration auf Lehrer und Aufgabe
  • Kontakt zu Erwachsenen und Kindern aufnehmen und halten können
  • mit Konflikten umgehen können
  • mit Erfolg und Frustration umgehen können

Motivation

  • Wachheit / Entdeckungsfreude,
  • Wissbegier / Freude am Lernen / Lust an Selbstständigkeit – Bereitschaft und Fähigkeit zur Übernahme von Aufgaben/sich neuen Situationen anpassen
  • Arbeitsbereitschaft/Anstrengungsbereitschaft
  • Ausdauer / Geduld / Frustrationstoleranz
  • Altersentsprechende Handlungs- und Arbeitsplanung /-tempo
  • Aufgaben zu Ende bringen können
  • Lust auf Spielen zurückstellen können
  • Pünktlichkeit (aufstehen können)

Graphomotorische Förderung im Rahmen der Psychomotorik

Wir arbeiten nach einer Methode, welche die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Schrifterwerb schafft und damit zur Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes beiträgt auf einer bewegungs- und handlungsbezogenen Grundlage innerhalb einer geeigneten Kleingruppe. Die Förderangebote werden gestaffelt von Groß zu Klein, Einfach zu Schwer, vom Konkreten zum Abstrakten, von der Ganzkörperbewegung über die Arm-Handbewegung zu Fingerbewegungen.
Fördermöglichkeiten sind daher vor allem:
  • Psychomotorische Förderangebote
  • Gezielter Umgang mit Alltagsmaterialien
  • Großflächiges Malen/große Bewegungen
  • Anwendung anerkannter Förder- und Übungsprogramme
  • Bewegungsrhythmen zur Verbesserung der Sprechfähigkeit
  • Konzentrations -und Entspannungsübungen
  • Spiele zur Schulung der Wahrnehmung in allen Sinnesbereichen
Einige praktische Beispiele für die Inhalte des Förderangebotes:
  • verschiedene Punkte der Kletterwand ergreifen, dann den Weg auf das Papier übertragen
  • mit dem Rollbrett durch zwei parallele Seilchen fahren, anschließend mit dem Stift zwischen den Linien malen
  • mit großen Schaumstoffbauteilen Buchstaben legen zum Fangen spielen, danach die Buchstaben zu Wörtern auf das Papier übertragen
  • Auf der Schaukel hin- und her schwingen – bereitet den Schwung für die Schreibbewegung vor
  • Zielspringen von Form zu Form auf dem Trampolin; danach die Formen für den Partner aufmalen
  • werfen und fangen mit dicken Pezzibällen bis hin zu Tennisbällen
  • Stille Post: im Kreis dem Vordermann Figuren auf den Rücken malen, dann auf die eigene Schatzkarte malen
  • und viele Spiele mehr, die Kinder Spaß bereiten ohne Hintergedanken an Förderaspekte!
Unsere graphomotorische Förderung findet ausschließlich in Kleingruppen bis zu max. 6 Kindern statt; wir bieten keine Einzelförderung an! Wir kooperieren mit Frühförderstellen oder Ergotherapeuten, wo Kinder zunächst in Einzelsituationen gefördert werden können. Das Lernen, Arbeiten und sich konzentrieren in einer Kleingruppensituation ist ein weiteres Übungsfeld, was Kinder dann auf die Klassensituation in der Schule vorbereiten soll.